Die Frage, ob Kinder und Jugendliche gegen Covid-19 geimpft werden sollten, wurde 2021 heftig diskutiert. Gerade steht die nächste Debatte in den Startlöchern: Es geht um die Impfung von Kindern ab 5 Jahren.
Junge Menschen haben in den allerseltensten Fällen mit schweren Krankheitsverläufen zu rechnen. Aus diesem Grund zögerte die Ständige Impfkommission (STIKO) die Empfehlung pro Impfung für Jugendliche ohne schwere Vorerkrankungen lange hinaus, galt es doch, genau abzuwägen, ob „der Piks“ vielleicht mehr Schaden als Nutzen anrichten könnte. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Gefahr einer Herzmuskelentzündung nach Impfung. Die Bedenken scheinen nicht unbegründet.
Am 26. Oktober 2021 hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) seinen neuen Sicherheitsbericht vorgelegt. Besonders für männliche Jugendliche erhöht sich durch die Impfung das Risiko einer Herzmuskelentzündung signifikant. Ein Blick in die Zahlen.
Als die STIKO die allgemeine Empfehlung zur Impfung der rund 4,5 Millionen 12- bis 17-Jährigen aussprach, wies sie darauf hin, dass noch nicht abschließend etwas zum Risiko einer Herzmuskelentzündung bei Jugendlichen gesagt werden könne und deshalb gerade bei dieser Altersgruppe eine verständliche Aufklärung mit Risiko-Nutzen-Abwägung durch Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte nottue.
Bereits vor der allgemeinen Impfempfehlung waren in Deutschland in den ersten sechs Wochen nach der Zulassung von Comirnaty/BioNTech am 6. Juni 2021 24 (Peri-)Myokarditiden bei Jugendlichen aufgetreten. 22 davon betrafen Jungen, was einem Fall bei 17.483 Impfungen entsprach. Die STIKO wies im Epidemiologischen Bulletin auf eine mögliche Untererfassung hin. Der aktuelle Sicherheitsbericht des PEI beleuchtet im Auftrag der Bundesregierung die Nebenwirkungen der Covid-19-Impfungen. Unter anderem werden jetzt die Fälle der mutmaßlichen Nebenwirkungen in den ersten sechs Wochen nach der STIKO-Empfehlung der Impfung bei den 12- bis 17-Jährigen erfasst. 40,6 % der Jugendlichen sind laut RKI inzwischen vollständig geimpft (Link: RKI / Impfquote).
Als „unerwünschtes Ereignis von besonderem Interesse“ ist in dieser Zeitspanne die (Peri-)Myokarditis bei Jungen aufgefallen. Auf 12.000 bis 13.000 Impfungen kommt jetzt eine Herzmuskelentzündung.
Covid-19: 495 Jugendliche im Krankenhaus behandelt und 6 verstorben
Im Epidemiologischen Bulletin legte die STIKO im August 2021 dar, dass schwere Erkrankungen und Todesfälle unter Kindern und Jugendlichen extrem selten sind. Während 8,8 % der an Covid-19 erkrankten Menschen über 60 Jahren versterben, sind es bei Jugendlichen ab 12 Jahren 0,001 %.
Laut Datenbank der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) waren während der kompletten Erfassung der Zahlen seit Frühjahr 2020 1.906 Kinder bis zu 20 Jahren bis zum 25. Oktober 2021 mit Covid-19 im Krankenhaus. 26 % davon waren Jugendliche im jetzt impffähigen Alter (Link: DGPI / Covid-Survey).
Von diesen 495 Jugendlichen dürfte nur rund ein Viertel wegen Covid-19 behandelt worden sein. Zumindest wies die STIKO im August noch darauf hin, dass von den damals 440 Jugendlichen, die mit positivem Test im Krankenhaus waren, nur 97 wegen Corona behandelt wurden.
Um als Covid-Fall zu zählen, reicht ein positiver PCR-Test, die Hospitalisierung kann auch auf andere Krankheiten zurückzuführen sein. 5 % der 1.906 Kinder und Jugendlichen lagen dabei auf einer Intensivstation. Insgesamt 436 Kinder und Jugendliche zwischen 0 un 19 Jahren entwickelten PIMS, von den 12- bis 17-Jährigen waren 100 Jugendliche betroffen.
Schaut man sich die derzeitige Lage an, in der von den hohen Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen berichtet wird (bei 10- bis 14-Jährigen: Inzidenz 182), so sieht man, dass diese Altersgruppe zwar die höchsten Inzidenzen aufweist, jedoch nur 0,5 % der Intensivpatienten bis 17 Jahre alt sind. Deutschlandweit sind das derzeit 9 Menschen. Immer noch sind 60 % der Intensivpatienten über 60 Jahre alt
(Links: STATISTA Inzidenz Altersstufen und Intensivregister DIVI Altersstruktur).
An Covid-19 verstorben sind laut DGPI 6 Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren (0,3 % von 1.906 im Krankenhaus behandelten Kindern und Jugendlichen; Link: dgpi.de/covid-19-survey-update). Laut früheren DGPI- und STIKO-Angaben waren die meisten der verstorbenen Kinder und Jugendlichen schwer vorerkrankt und befanden sich bereits in Palliativbehandlung.
PEI-Sicherheitsbericht: 1.809 erfasste Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und 5 Todesfälle nach Impfung
Der am 26. Oktober 2021 erschienene Sicherheitsbericht erfasst die Verdachtsfälle der Impfnebenwirkungen der Impfung gegen Covid-19 bis zum 30. September 2021 und damit den Zeitraum bis rund sechs Wochen nach der STIKO-Impfempfehlung. Den Nebenwirkungen der Impfung bei Kindern und Jugendlichen ist ein separates Kapitel ab Seite 15 gewidmet. Nur darauf wird hier eingegangen.
(Link: PEI Sicherheitsbericht vom 26.10.2021).
1.809 Verdachtsfälle auf Nebenwirkungen wurden registriert, 22,4 % (405) davon gelten als schwerwiegend. Um welche Nebenwirkungen es genau geht, kann im Sicherheitsbericht eingesehen werden. Am häufigsten wurden Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Ermüdung und Fieber berichtet, aber auch Thrombosen, Autoimmunerkrankungen und anaphylaktische Schocks.
„Schwerwiegend“ bedeutet bei diesen 405 Fällen, dass die Jugendlichen im Krankenhaus behandelt werden mussten oder Folgeschäden erlitten. 3 Jugendliche hatten nach der Impfung PIMS. 5 mutmaßliche Todesfälle wurden verzeichnet, genau wie bei den an Covid-19 verstorbenen Jugendlichen, waren auch hier 3 Jugendliche schwer vorerkrankt.
Besondere Beachtung findet im Sicherheitsbericht die Myo-/Perikarditis (Herzmuskelentzündung). 98 Herzmuskelentzündungen traten in der Gruppe der Jugendlichen auf, davon 85 bei Jungen. In der Altersgruppe 12 bis 17 Jahre wurden bei Jungen und männlichen Jugendlichen 74 Fälle einer Myokarditis innerhalb von 21 Tagen nach Comirnaty berichtet. Zu erwarten gewesen wären laut Statistik rund 11 Fälle, tatsächlich waren es also siebenmal mehr.
Derzeit geht man von einem Fall Myo-/Perikarditis auf etwa 12.000 bis 13.000 Impfungen mit Comirnaty bei männlichen Jugendlichen aus. Weibliche Jugendliche sind nur in einem von 210.000 bis 250.000 Fällen betroffen, das entspricht dem normalen Aufkommen in dieser Altersgruppe und kann deshalb bei der Betrachtung vernachlässigt werden.
Allgemein stellt es sich bisher so dar, dass unter 30-jährige männliche Menschen am häufigsten nach einer Impfung eine Myokarditis erleiden.
Das PEI dazu im Wortlaut auf Seite 5: „Mehr als 92 Millionen Impfdosen Comirnaty und Spikevax sind bis einschließlich 30.09.2021 in Deutschland verimpft worden. Im Rahmen der Spontanberichterfassung sind bis zum 30.09.2021 insgesamt 1.243 Verdachtsmeldungen einer Myo-/Perikarditis unabhängig vom Kausalzusammenhang mit der jeweiligen Impfung berichtet worden, wobei die Melderate bei Jungen und männlichen Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren sowie jungen Männern unter 30 Jahren am höchsten war.
Die Spontandaten aus Deutschland weisen darauf hin, dass das Risiko nach Spikevax bei jungen Männern und Frauen höher als nach Comiranty sein könnte.
Ein höheres Risiko der Myokarditis bei jungen Männern (< 30 Jahre) wurde offenbar auch in Kanada und in einer Metaanalyse von vier Registerstudien in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden gefunden, wobei die Auswertungen derzeit noch nicht abgeschlossen und auch noch nicht publiziert sind.“
Zu der Schwere der Nebenwirkung Myo-/Perikarditis gibt das PEI an, „dass die meisten Patienten mit einer Myo-/Perikarditis nach Impfung mit mRNA-Impfstoffen gut auf Behandlung und Ruhe ansprechen und sich schnell besser fühlen, wenngleich im Einzelfall schwerwiegendere Verläufe nicht ausgeschlossen werden können“. Bei gerade 12 % der Fälle aller Myo-/Perikarditen konnte zum Zeitpunkt der Studie sicher gesagt werden, dass die Patienten und Patientinnen gänzlich wieder hergestellt seien.
Fazit zu diesem Zeitpunkt
Während in der gesamten Pandemie in rund 18 Monaten 495 Jugendliche mit und wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt wurden, wurden die im Krankenhaus behandlungsbedürftigen Fälle sechs Wochen nach Impfempfehlung nach Impfung mit 405 beziffert. 100 Jugendliche hatten nach einer Infektion mit PIMS zu kämpfen, 3 nach der Impfung.
6 Jugendliche starben an und mit Corona, 5 nach der Impfung gegen Corona. In beiden Fällen waren die meisten Jugendlichen schwer vorerkrankt.
98 Jugendliche erlitten im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung eine Herzmuskelentzündung – eine bei Covid-19 gefürchtete Komplikation, unter anderem davor sollten sie durch die Impfung bewahrt werden. Die Komplikation konnte bei der Erkrankung in dieser Altersgruppe in Deutschland bislang nicht erfasst werden, wohl aber nach der Impfung. Diese steigerte bei Jungen das Risiko daran zu erkranken um das Siebenfache.
„Eine offene Kommunikation auch möglicher Risiken ist eine Voraussetzung für eine hohe Impfakzeptanz in der Bevölkerung. Der Nutzen der Covid-19-Impfung für die Gesundheit Einzelner und der Bevölkerung sowie ihr Effekt im Kampf gegen die Pandemie hängen wesentlich vom Vertrauen in die Impfung ab. Um dem Rechnung zu tragen, informiert das Paul-Ehrlich-Institut über alle in Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegen Covid-19 kontinuierlich in Sicherheitsberichten“, schreibt das PEI auf der Seite zu den Sicherheitsberichten.
Angesichts der neuen veröffentlichten Zahlen kann eine gewisse Skepsis gegenüber der Impfung von Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren und der möglicherweise bald anstehenden Impfung noch jüngerer Kinder niemandem verübelt werden.
Da im September 2021 vergleichsweise wenige Impfdosen verabreicht wurden, möchte das Paul-Ehrlich-Institut zukünftig die Frequenz der Sicherheitsberichte auf alle zwei Monate reduzieren. Sollten in der Zwischenzeit weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse gewonnen werden, versichert das Institut jedoch, diese zeitnah auf seiner Website zu publizieren.
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